Es ist mucksmäuschenstill, nur ein kleiner Spatz fliegt fröhlich an mir vorbei und pfeift ein «Ja dann viel Glück!». Ich denke mir noch: „Gut, … OK … Vögel gehören hier her, aber ICH als Mensch?“ PUH …
Runterschauen geht nicht. Es ist verdammt hoch. Der Sprungturm wirft einen gigantischen Schatten auf das menschenleere Schwimmbecken. Meine nassen Füsse umklammern den rutschfesten Boden. Bereits die endlos lange Treppe mit den hunderten von Stufen empor zu klettern, war die erste Mutprobe. Höhenangst kenne ich «eigentlich» keine, doch plötzlich pocht mein Herz fest an meinen Brustkorb. Es ist ja nicht nur die Höhe, sondern das eigentliche Vorhaben, die «paar Meter 😉» mit 50 km/h in knapp zwei Sekunden in die Tiefe zu springen.
Ich habe mir sagen lassen, dass ich möglichst kerzengerade, die Arme fest an den Oberkörper gepresst, springen soll. Keinen Köpfer, keine Schraube, auf keinen Fall irgendwelche Blöffer-Aktivitäten. Der Badeanzug sitzt. Meinem Bikini habe ich bei dieser Mission das Vertrauen entzogen, bestimmt wäre der Zweiteiler schneller als ich aufgetaucht 🤣.
Es ist eine mentale Grenzerfahrung zwischen wilder Entschlossenheit und „die Hosen gestrichen voll“, springen oder wieder nach unten steigen, festen Boden unter den Füssen versus freier Fall, Applaus oder Schadenfreude, gesund bleiben oder doch auf dem Weg ins Krankenhaus.
„Wenn einer keine Angst hat, hat er keine Fantasie“ | Erich Kästner
Ja klar habe ich Muffensausen. Keine Frage. Und dann auch noch mit Publikum. Na toll! Die Zaungäste stehen am Beckenrand und schauen erwartungsvoll nach oben. Die Uhr tickt. Irgendwann einmal – möglichst noch heute – sollte ich es in die Tat umsetzen und diesen heroischen Sprung ins kühle Nass wagen.
Mit oder ohne Anlauf? Ich entscheide mich für das Stillstehen an der Plattformkante. Meine Zehen berühren die Luft. Ich stelle mir nun vor, ich wäre auf einem Piratenschiff und rette mein Leben durch diesen tollkühnen Hüpfer. Das hilft! Ich zähle 3 – 2 – 1 – … GO!
Mut ist die emotionale Überwindung etwas zu tun oder es sein zu lassen!
Jaaaaa, … Ich bin gesprungen und auch wieder – mit Badeanzug – aufgetaucht. Ehrlich gesagt: Es war „nur“ das Fünf Meter Sprungbrett 😅. Angespornt von meiner Heldentat und dem Gefühl etwas „Grossartiges“ geleistet zu haben, denke ich mir nun: „PAH … Höher, schneller, weiter. Was sind schon zehn Meter, das ist einfach doppelt so hoch.“
Bereits auf dem Weg nach oben denke ich mir im Stillen: „Was tust du hier? Bist du plemplem?“ Ganz ehrlich: Ich erreiche die Zehn-Meter-Plattform. Auf der letzten Stufe verharre ich und überlege kurz … 🤔 Dann kraxle ich die Sprossen in aller Ruhe wieder nach unten. Es ist mir wurschtegal, was die Anderen denken.
Ich war damals 15 Jahre alt und heute weiss ich: „Es war das Mutigste, was ich je getan habe.“