„Was hätten Sie denn gerne? Einen Cappuccino oder lieber einen Latte Macchiato? Mit oder ohne Zucker?“ Der junge Mann schaut mich lächelnd an. Nach kurzem Zögern stammle ich: „Wie jetzt? Ist das Ihr Ernst? Ja dann gerne einen Cappuccino ohne Zucker.“ „OK wird erledigt! Und warten Sie doch besser in der Sonne, Sie erfrieren ja sonst!“
Er huscht davon und kommt wenige Minuten später mit vollgepackten Armen zurück. Strahlend drückt er mir einen Pappbecher Kaffee in die Hand. „Ich habe um extra viel Milchschaum gebeten. Geniessen Sie es, ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Sonntag.“
15 Minuten vorher | Noch ist nichts passiert, aber das Fettnäpfchen wartet schon auf mich 😉
Sonntags früh geht’s immer zum Bäcker. Zu Fuss oder auch mal mit dem Velo. An diesem denkwürdigen Sonntagmorgen radle ich mit Bruno – ja mein Velo hat einen Namen – bei strahlend blauem Himmel und sibirischen Temperaturen los.
Angekommen stelle ich Bruno an eine Hausmauer und betrete die Bäckerei. „So wie immer?“ Die Verkäuferin weiss inzwischen sehr genau, was ich möchte. „YEP – das Übliche.“
In der einen Hand einen Latte Macchiato, in der anderen Hand eine Sonntagszeitung. Einen Laib Brot an meinen Bauch gedrückt, den Geldbeutel irgendwo zwischen rechtem Arm und Hüfte eingeklemmt. Die Ladentüre öffne ich mit dem linken Ellbogen. Die schwere Türe blockiere ich mit dem Fuss, die Spaltbreite reicht gerade aus für mich und das ganze Bagage. Der Weg zum Velo ist gottlob barrierefrei. Das Öffnen des Fahrradschlosses geht überraschend problemlos. Meine beiden Zahnreihen verbeissen sich inzwischen in den Brotsack. Nebenbei schultere ich den Rucksack nach hinten und manövriere den Fahrradhelm irgendwie auf meinen Kopf … Noch ist alles im grünen Bereich. Bis … ja bis sich Bruno von alleine in Bewegung setzt und ich mich in Sekundenbruchteilen entscheiden muss, wen oder was ich noch festhalten soll. Herrje! Verflixt und zugenäht!
Nun ja: Es bleibt etwas Milchschaum übrig. Der Rest verteilt sich als Kaffeepfütze weiträumig auf dem Boden. Dafür habe ich Bruno fest im Griff.
Die ganze peinliche Szenerie wird von einem interessierten Publikum aufmerksam mitverfolgt. Inzwischen hat sich nämlich eine Zwei-Meter-Mindest-Abstand-Schlange vor dem Eingang postiert. In C-Zeiten tragen sie alle Masken, damit bleiben mir die schmunzelnden Gesichtsausdrücke dahinter glücklicherweise erspart. PUH – das ist mal wieder typisch ICH.
Den leeren Kaffeebecher werfe ich leicht genervt in Richtung Mülleimer und man staune: Ich treffe sogar. Kurz überlege ich, ob ich das ganze Prozedere noch einmal von vorne starten soll. Mein Kaffeedurst hat sich ja nicht plötzlich in Luft aufgelöst.
In diesem Moment verlässt einer der Wartenden die Reihe, kommt auf mich zu und macht mir dieses moralische „Hey-lass-nicht-den Kopf-hängen-ich-bring-dir-einen-Kaffee-mit“-Angebot. Was soll ich sagen? Ich bin perplex. Diese spontane und liebenswerte Geste eines wildfremden Menschen hat mich sehr gerührt.
„Tausend Dank, Sie haben mich gerettet.“ „Bingo – dann habe ich ja alles richtig gemacht“ Ritter Löwenherz lacht und macht sich auf und davon. Happy Tollpatsch Day!