Letzte Woche kam eine 70 jährige Neukundin zur Brillenmessung vorbei. Begleitet wurde sie von einer guten Freundin. Die Frau machte einen leicht verwirrten, aber sehr freundlichen Eindruck auf mich. Ihre Freundin bat mich einen Messversuch zu unternehmen, um eine allenfalls bessere Nahkorrektur zum Lesen zu erreichen. Die an Demenz erkrankte Frau konnte selbst keine eigenen Angaben mehr zu Ihrer derzeitigen Sehsituation machen.
Die Refraktion wird mir in guter Erinnerung bleiben. Die Frau war nämlich sehr fröhlich und es machte ihr offensichtlich sehr viel Spass die Buchstaben an der Optotypentafel zu erkennen. Ich fragte sie, ob sie lieber Buchstaben oder Zahlen hätte und das brachte sie zum Lachen. Das sei doch völlig egal, meinte sie. Fröhlich beschwingt und selbstsicher las sie die Buchstaben vor, doch leider immer völlig falsch. Ich versuchte es daher mit den Zahlen und tatsächlich fiel es ihr offensichtlich leichter diese zu erraten. Nach einer guten halben Stunde waren wir alle „fix und fertig“. Für meine Kundin war das ganze Prozedere nämlich anstrengend und auf Dauer wurde sie unruhig und auch ungeduldig. Ihre Freundin und ich versuchten sie zu motivieren, aber dies ist leichter gesagt als getan.
Später habe ich bei der Alzheimervereinigung angerufen und nach Tipps für den Umgang mit demenzkranken Menschen gefragt. Die Mitarbeiterin hat mir wertvolle Hinweise gegeben, die ich gerne an Euch weitergeben möchte:
- langsam, deutlich und nicht zu leise sprechen
- in kurzen Sätzen sprechen
- einfache und klare Redensweise
- nur eine Frage stellen oder eine Information geben und die Antwort abwarten
- jeden Schritt gut erklären
- offene Fragen stellen
- das Gesagte mit Mimik, Gestik und Berührungen unterstreichen
- gut zuhören, nicht widersprechen und immer unterstützen
- auf Erklärungen und Diskussionen verzichten
- den Betroffenen nicht überfordern
- ruhig und geduldig bleiben
- möglichst gelassen und verständnisvoll auf etwaige Gefühlsausbrüche reagieren
Wichtig sind auch folgende Tipps für unseren beruflichen Alltag:
- Mehr Zeit für die Messung einplanen.
- Eine vertraute Begleitperson zur Unterstützung beiziehen.
- Auf präzise Feinangaben des Betroffenen verzichten.
- Eine gut angepasste Brille sorgt für weniger Verwirrung und Vertrautheit.
- Der Betroffene sollte sich im Testraum wohlfühlen. Also immer für eine angenehme Stimmung und Atmosphäre sorgen. Bei Angstzuständen ist es besser in einer vertrauten Umgebung die Messung vorzunehmen (z.B. Hausbesuch).
- Bifokal- und Gleitsichtbrillen sind bei demenzerkrankten Menschen nicht zu empfehlen.